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Beratungsansätze der Finanzbranche im Wandel

In den letzten Jahren haben nebst regulatorischen Anforderungen, auch die Erwartungen und Ansprüche der Kunden einen starken Wandel durchlebt. Diese werden im Wesentlichen durch wirtschaftliche, gesellschaftliche und technologische Trends beeinflusst. Das Anspruchsdenken verändert sich massiv durch die Digitalisierung, die zunehmende Vernetzung, die Individualisierung und das Streben nach mehr Komfort. Der Onlinehandel verzeichnet seit Jahren wachsende Umsätze und auch in der Finanzbranche verlagert sich das Geschäft zunehmend ins Web. Welche Auswirkungen hat dies für den klassischen, offline Vertrieb?

Während vor zehn Jahren die strategischen Anforderungen noch bei der Steigerung der Prozesseffizienz lagen, sehen heute 75 % der Führungskräfte der Finanzbranche den Beziehungsaufbau und die Kundenbindung als entscheidende Herausforderung der Zukunft. Dies fällt jedoch gerade im Onlinegeschäft sehr schwer – also doch eine Chance für die Berater? Oder wird in Zukunft der Vertrieb immer stärker ins Onlinegeschäft verlagert, um den veränderten Kundenwünschen Rechnung zu tragen?

In Zukunft werden sicherlich immer mehr Prozesse ins Web verlagert. Das heisst jedoch nicht automatisch, dass der klassische Vertrieb und die Verkäufer verdrängt werden. Ganz im Gegenteil: Wir sind davon überzeugt, dass der Verkäufer immer wichtiger wird für den Erfolg eines Unternehmens. Deshalb wird es vielen langsam klar, dass man sich mehr um die bestehenden Kunden kümmern sollte. Doch warum ist das so wichtig? Was wäre, wenn jeder Kunde einmal im Jahr kontaktiert würde? Und: Wie ist das möglich?

Warum ist eine gute Bestandsbetreuung so wichtig?

Die laufende Betreuung der Kunden ist aus verschiedenen Gründen notwendig. Zum einen ist der Berater durch die Rechtsprechung verpflichtet, ein einmal eingedecktes Risiko zu überwachen und neu hinzukommende Risiken abzusichern.

Vielfach herrscht noch immer die Meinung, Versicherungen seien Produkte. Das ist falsch. Versicherungen sind Dienstleistungen, auch wenn sich die Qualität des Produkts im Schadensfall manifestieren. Dennoch ist der gesamte Prozess für den Abschluss und den Verbleib beim Anbieter bedeutsam. Die Versicherung kann günstig sein, doch wenn der Kunde Fragen hat und einen schlechten Service erlebt, wird er bald wechseln. Mögen die Bedingungen aktuell grossartig sein, wenn nach fünf Jahren ohne einen Kontakt ein anderer Anbieter mit besseren Bedingungen kommt, wird der Kunde wechseln. Ähnliches gilt auch im Banking.

Ausserdem sind die Kosten resp. der Zeitaufwand für die Neukundengewinnung der grösste Kostenblock im Kundenmanagement. Die Bestandskundenpflege ist wesentlich günstiger. Zumal hier die grössten Potenziale für die Digitalisierung schlummern. Wenn der Kunde sich für den Abschluss entscheidet, erwartet er persönliche Unterstützung in Form von Beratung. Deshalb kann und sollte der Beratungsprozess nicht digitalisiert oder ausgelagert werden. Die Bestandspflege dagegen ist geradezu prädestiniert dafür, in ein IT-gestütztes System überführt zu werden.

Ein grosses Thema für die nächsten Jahrzehnte dürfte die Nachfolge sein. Wenn in den nächsten Jahren viele Versicherungs- und Bankberater altersbedingt ausscheiden, entsteht ein gewaltiges Vakuum. Die Mehrzahl der Unternehmen hat sich noch nicht ausreichend damit beschäftigt, geschweige denn entsprechende Massnahmen getroffen. Fakt ist: Wer einen sauberen, gut gepflegten Bestand vorweisen kann, wird die Kunden behalten können.

Zuletzt noch der wichtigste Faktor aus unserer Sicht: Die eigenen Wünsche und Ansprüche an Dienstleister. Jeder ist irgendwo Kunde, sei es beim Telefonanbieter, beim Bäcker um die Ecke oder im Fitness-Studio. Wie möchte ich da als treuer Kunde behandelt werden? Wenn sich Berater und Vertriebsleiter diese Frage öfter stellen würden, hätte die Bestandskundenpflege eine prominentere Stellung im Kundenmanagement.

Deshalb sind wir der festen Überzeugung, dass in der Bestandskundenbetreuung der Schlüssel zum Erfolg für Finanzdienstleister der Zukunft liegt.

Was wäre, wenn jeder Kunde einmal im Jahr kontaktiert wird?

Zufriedene Kunden sind loyaler. Dadurch steigt die Vertragsdichte und das bedeutet, die Wertschöpfung pro Kunde verbessert sich. Je mehr Verträge der Berater beim Kunden platziert hat, desto mehr vertraut der Kunde dem Berater. Man kann dabei durchaus von einem sich selbst verstärkenden System sprechen: Je mehr Vertrauen, desto mehr Verträge, desto mehr Vertrauen usw.

Wer zufrieden ist, empfiehlt in der Regel häufiger und wirksamer weiter. Noch immer gilt die Empfehlung als Königsweg der Neukundenakquise. Wer empfohlen wird, senkt seine Kosten für die Neukundenakquise drastisch. Ziel sollte es sein, die eigenen Kunden zu Multiplikatoren zu machen. Das geht aber nur mit überdurchschnittlichen und überraschenden Leistungen. Der Kunde erwartet zwar, regelmässig kontaktiert zu werden, doch mit einem persönlichen Brief, Anruf oder Geschenk, gelingt es, ihn zu überraschen. Die Chancen, daraufhin empfohlen zu werden, steigen. Mit dem jährlichen Kontakt erfüllt der Berater zudem seinen gesetzlichen oder vertraglichen Auftrag und reduziert so seine Haftung.

Das letzte Argument ist die Stornoquote. Wenn der Kunde zufrieden ist, viele oder sogar alle Verträge beim gleichen Berater hat und ihn weiterempfiehlt, spielt das Thema Storno praktisch keine Rolle. Der Kunde hat sich so sehr für diesen Berater entschieden, dass nur ein sehr schwerwiegender Vertrauensbruch diese Gefüge aufbrechen kann. Das macht es extrem schwierig für die Konkurrenz. Denn bei solch einer guten Vertrauensbasis, spielt es für den Kunden keine Rolle, ob die Haftpflicht des Konkurrenten ein bisschen weniger kostet.

Wer es also schafft, seine Kunden einmal im Jahr aktiv zu kontaktieren, hat einen riesigen Wettbewerbsvorteil.

Wie ist es möglich, jeden Kunden einmal pro Jahr zu kontaktieren?

Eine regelmässige und systematische Bestandsbetreuung steht und fällt mit der Bestandsaufnahme. Eine umfassende und saubere Datenerfassung am Anfang der Kundenbeziehung bildet das Fundament. Das bedeutet, im ersten Schritt sollte sich jede Organisation Gedanken machen, welche Daten notwendig sind. Man kann unendlich viele Daten erheben. Doch wenn man sie nicht strukturiert, sind sie letztlich wertlos.

Die Daten sollten im Erstgespräch erfasst werden. Im Voraus sollte man den Kunden darauf aufmerksam machen, dass er alle relevanten Unterlagen, welche für die Auswertung seiner Situation benötigt werden, bereithält. Die Vertragsunterlagen nimmt man mit und überträgt diese in das Kundenverwaltungsprogramm. Die Ersterfassung ist sehr umfassend und damit aufwendig. Dafür spart man für die weitere Zusammenarbeit enorm viel Zeit, da danach alle Daten im System vorliegen.

Eine Möglichkeit den Kundenkontakt aufrechtzuerhalten, sind Beratungsanlässe zu definieren. Je nach Situation kommt eine andere Beratung zum Zuge und falls sich etwas ändert, ist man der erste Ansprechpartner. Orientieren kann man sich an den verschiedenen Lebensphasen des Kunden wie z.B. der Berufseinstieg, Hausbau oder Nachwuchs.

Eine weitere Möglichkeit in Kontakt zu bleiben ist, indem man dem Kunden per E-Mail einmal pro Jahr einen Bestandsfragebogen schickt. Damit fragt man mögliche Änderungen ab, um so darauf adäquat reagieren zu können und der Kunde erhält eine Einschätzung, ob eine Beratung notwendig ist oder nicht.

Dieser gesamte Prozess kann manuell oder automatisch ablaufen. Eine umfassende Digitalisierung und Automatisierung des Ablaufs sind kostspielig. Bei grösseren Strukturen ist es aber sinnvoll, diesen Prozess so weit wie möglich, zu automatisieren. Letztlich profitieren davon alle Seiten: Kunde, Berater und Unternehmen. Der Kunde ist zufriedener und besser beraten. Der Berater und das Unternehmen haben einen höheren Ertrag. Das sollte Grund genug sein, das Thema Bestandskundenbetreuung einmal richtig anzugehen.

Den Kunden noch mehr ins Zentrum stellen

Der Versicherungsmarkt ist im steten Wandel und wird sich in den nächsten Jahren noch weiter verändern. Digitalisierung, die sich damit ändernden Kundenanforderungen und das Nachfolgemanagement sind nur einige der Herausforderungen. Bei all den Trends und Prognosen darf jedoch nicht der Wunsch des Kunden nach echter und kompetenter Beratung vernachlässigt werden. Denn diese ist bei komplexen Finanz- und Versicherungsprodukten noch immer gefragt und bietet zahlreiche Ansatzpunkte.

Die Finanzbranche steht in jedem Fall vor der Herausforderung, ihre eigene Beratungsstrategie auf den Prüfstand zu stellen. Arbeitsweisen, die sie sich über Jahre angeeignet haben, sind vielleicht bereits heute überholt bzw. sollten optimiert werden. Nur wer seine Komfortzone verlässt, wird auch zukünftig den neuen, sich ändernden Kundenansprüchen gerecht werden können. Einige versuchen bereits, ihr Geschäft mit neuen Ansätzen fit für die Zukunft zu machen. Für die anderen lohnt sich also eine Mitbewerberanalyse bzw. ein Blick über den Tellerrand.

Einige wenige versuchen bereits, den Beziehungsaufbau als strategischen Vorteil zu nutzen. Im Vergleich zu anderen erreichen sie dadurch hervorragende Cross- und Up-Selling-Quoten und glänzen mit einer geringen Stornoquote. Auffallend ist, dass diese Berater sich ausreichend Zeit für eine umfassende Analyse der individuellen Lebenssituation ihrer Kunden nehmen und erst im Zweit- oder Dritttermin eine individuelle Konzeptlösung präsentieren. Der reine Produktverkauf tritt immer mehr in den Hintergrund und innovative Beratungskonzepte gewinnen eine neue Bedeutung – schon allein im Hinblick auf die Abgrenzung zum reinen Onlinevertrieb oder Mitbewerbern. Schlussendlich braucht es also nicht komplett neue Beratungsansätze, sondern der Kunde sollte einfach noch mehr im Zentrum stehen.

Quellen:
Q-Perior Studie – Die digitale Transformation in der Versicherungsbranche
Versicherungsforen Leipzig – Wie geht gute Bestandskundenbetreuung?

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