Weshalb ist es so schwer geworden für Unternehmen, passende Mitarbeiter zu finden? Sind die Bewerber anspruchsvoller geworden? Suchen Unternehmen an der falschen Stelle nach dem passenden Kandidaten? Oder spielen gleich mehrere dieser Faktoren zusammen? Und was bedeutet eigentlich «Cultural Fit»?
Früher waren es die Bewerber, die um eine Arbeitsstelle kämpfen mussten. Heute sind es die Recruiter, die um Talente buhlen. Aber woher rührt diese Entwicklung, der sogar ganze Studien gewidmet wurden? Klassischerweise lässt sich unter anderem der demografische Wandel für den Fachkräftemangel verantwortlich machen. Arbeitgeber sind permanent auf der Suche nach jungen Nachwuchskräften, die durch ihr Know-how zum Unternehmenserfolg beitragen und gleichzeitig mit ihren Werten und Zielen zum Betrieb passen.
Cultural Fit?
Übersetzt bedeutet der neudeutsche Begriff «kulturelle Übereinstimmung» und meint die Übereinstimmung von Kandidaten und Unternehmen in Bezug auf Handlungsweisen und Wertvorstellungen. Langfristig zahlen sich diese Gemeinsamkeiten aus. Ein hoher Cultural Fit wirkt sich positiv auf Leistung, Wohlbefinden und Loyalität der Mitarbeiter aus. Immer öfter werden spezifische Persönlichkeitstests hinzugezogen, welche die Kandidaten im Vorfeld ausfüllen sollen. Dabei wird klar: Die moderne Personalauswahl geht weit über fachliche Skills hinaus. Doch auch hier gehen die Meinungen weit auseinander. Längst nicht alle sind begeistert von diesem Wandel. Diese Tests seien eine Verweichlichung und erinnern mehr an eine „Datingshow“ als an ein stringentes Bewerbungsgespräch.
Ein Fallbeispiel
Um sich die Bedeutung von Cultural Fit bewusst zu werden, greift man am besten auf ein (fiktives) Fallbeispiel vor. Ein KMU sucht einen neuen Mitarbeiter mit Führungsfunktion. Der Kandidat hat einen sehr guten Lebenslauf mit eindrucksvollen fachlichen Kompetenzen. Er verfügt über ein ausgeprägtes Business-Verständnis sowie die nötige Macher-Mentalität und weist darüber hinaus starke analytische Fähigkeiten auf. Nicht zuletzt kann er bereits auf einige Jahre in einer Führungsposition zurückblicken. Er wird eingestellt, aber schnell merkt man, dass die Zusammenarbeit mit den Kollegen nicht funktioniert. Er setzt sämtliche Projekte allein um, delegiert schlecht und kann sich überhaupt nicht in das bestehende Team integrieren. Darunter leidet auch die generelle Stimmung und nach wenigen Monaten wird der gerade eingestellte vermeintliche Leistungsträger entlassen. Man fragt sich: Was ist hier passiert?
Obwohl der Kandidat auf dem Papier quasi perfekt war, passte er nicht zu den vorherrschenden Unternehmenswerten und zum restlichen Team. Von unterschiedlichen Vorstellungen in Bezug auf die Arbeitsweise bis hin zu auseinandergehenden Überzeugungen über das Verhalten gegenüber Kollegen und Kunden – die Gründe dafür können vielfältig sein. Je nach Unternehmenskultur kann es schnell zu unüberbrückbaren Differenzen kommen, welche die bestehende Dynamik im Team stören und das Zusammenarbeiten im schlimmsten Fall unmöglich machen. Das heisst aber nicht zwingend, dass der Kandidat sozial unverträglich oder das Unternehmen kein attraktiver Arbeitgeber ist. Sondern vielleicht einfach, dass die beiden nicht zusammenpassen.
Wie klappt es mit der Harmonie auf der Werteebene?
Um herauszufinden, welcher Kandidat zum eigenen Unternehmen passt, sollte man sich im ersten Schritt mit der eigenen (Unternehmens-)Kultur auseinandersetzen. Wie steht es um die internen Hierarchien? Wird eine offene Kultur gelebt, gibt es flexible Arbeitsmodelle? Was ist dem Unternehmen wirklich wichtig und was möchte man nach aussen darstellen? Das Ergebnis sollte bei jedem Unternehmen anders aussehen. Authentizität ist hier das A und O. Dabei schadet es nicht, immer mal wieder die Aussenansicht auf die eigene Unternehmenskultur einzunehmen.
Übertragung der eigenen Werte auf den Interviewprozess
Nachdem man weiss, für welche Werte das Unternehmen steht, muss man noch eruieren, wie es um die Werte und Einstellungen des Kandidaten steht. Jedem Kandidaten fällt es leicht zu sagen, dass er flache Hierarchien und Gestaltungsfreiraum bei der täglichen Arbeit schätzt. Aber wem sagt das nicht zu? Interessant wird es, wenn konkrete Fragen zur eigenen Unternehmenskultur zu entwickeln und im Bewerbungsgespräch zu stellen. Darüber hinaus lernt man durch das gezielte Fragen nach Präferenzen im Arbeitsalltag eine Menge über das Gegenüber. Was hemmt ihn? Wenn er sich zwischen Situation X und Y entscheiden müsste, wo lägen seine Präferenzen? Was man genau erfragt ist sekundär – Hauptsache ist, dass man auch hier den Menschen ins Zentrum stellt!
Weshalb gutes Onboarding auch für das Recruiting wichtig ist
Die Mitarbeiterzufriedenheit aktueller Mitarbeiter kann den Job eines Recruiters stark vereinfachen. Dabei wirken die Mitarbeiter als eine Art «Influencer». Denn neue Bewerber messen der Meinung aktueller Mitarbeiter des Unternehmens eine hohe Bedeutung zu. Leider kann das ebenso stark ins Negative umschlagen: Sind die Angestellten unzufrieden und transportieren diese Emotion nach aussen, wird der Kampf nach neuen Talenten für das Unternehmen noch härter als er schon ist.
Personalabteilungen dürfen sich nicht zuletzt auch deshalb nicht nur auf das Recruiting versteifen, sondern sollten auch Zeit und Geld in gutes Onboarding, sowie in die Personalentwicklung investieren. Denn hier kommt es dann zu einer Win-win-Situation: Mitarbeiter absolvieren eine für sie spannende und bereichernde Weiterbildung und greifen danach auf einen grösseren Wissensfundus zurück, der dem Unternehmen zugutekommt. Die gleichzeitig gestärkte Zufriedenheit und Verbundenheit sind ein weiterer, positiver Nebeneffekt.
Robot Recruiting?
Wie stark wird die Digitalisierung im Bewerbungsprozess Einfluss nehmen? Bislang ist es in Europa im Normalfall noch immer die Arbeit der Personalabteilung, sämtliche Bewerbungsunterlagen zu sichten, auf Passgenauigkeit zu prüfen und Absagen zu schreiben. In den USA werden bereits bei über 90 % der (Gross-)Konzerne diese Vorselektionen computergestützt abgewickelt. Auch bei uns ist es denkbar, dass diese Prozesse je länger je mehr durch spezifische Softwares übernommen werden.
Dank Statistik Tools können Bewerbungsunterlagen elektronisch analysiert und aufgrund vordefinierten Kriterien spezifische Erkenntnisse über Bewerber geliefert werden. Dies können beispielsweise die Prüfung der Qualifikationen, Soft-Skills und Weiterbildungen der Kandidaten betreffen. Damit übernimmt das System eine erste Vorauswahl. Darüber hinaus könnten die Roboter so programmiert werden, dass mittels automatisierter Websuche weitere, öffentlich zugängliche Informationen zusammengesucht und analysiert werden. Der Recruiter sieht damit nur das, was ein Kandidat im Web von sich selbst Preis gibt – was teilweise aber schon mehr ist, als im Lebenslauf steht.
Auch wenn dieser Wandel im ersten Moment befremdlich klingen mag, ergeben sich dadurch auch konkrete Chancen – sowohl auf Seiten der Personalabteilung als auch für die Kandidaten. Nicht selten urteilen Computer sachgerechter und neutraler als Menschen. Eine Selektion nach Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht spielt dem «Roboter Recruiter» keine Rolle – es sei denn, er wurde vom Menschen entsprechend programmiert. Darüber hinaus haben verschiedene Testphasen herausgestellt, dass der «Matching Prozess» von Computern extrem präzise ist und sich eine enorme Zeitersparnis abzeichnet. Dank dieser Analyse-Programme hätten die Angestellten der Personalabteilung mehr Zeit für wichtigere Dinge und der gesamte Bewerbungsprozess könne erheblich verkürzt werden. Jedoch muss man sich bewusst darauf achten, die menschliche Komponente nicht gänzlich zu vernachlässigen, sondern diese an anderer Stelle, beispielsweise durch ausgeprägtere Vorstellungsgespräche, zu intensivieren.
Quellen